Dienstag, 3. Dezember 2013

Kurzkritiken: Starke Protagonisten zum Jahresende


Die Tribute von Panem: Catching Fire

Der zweite Teil der „Panem“-Trilogie knüpft im Grunde nahtlos an die Geschehnisse aus „Hunger Games“ an. Nachdem Katniss (Jennifer Lawrence) und Peeta (Josh Hutcherson) die Hungerspiele gewonnen haben, müssen sie nun auf der großen Siegestour durch Panems Distrikte ihre (gespielte) Liebe vermarkten. Dabei fallen Katniss erste Anzeichen von Rebellion gegen Präsident Snow (Donald Sutherland) totalitäres Regime auf. Dieser sieht, auch angeregt durch seinen neuen Spielmacher Plutarch Heavensbee (Philip Seymor Hoffman), nur einen Ausweg: Katniss, dass Sinnbild der Rebellion, muss ausgeschaltet werden. Die 75. Hungerspiele bieten sich: Nach schneller Regeländerung lässt er die Tribute aus den bisherigen Gewinnern auslosen. Eine im wahrsten Sinne des Wortes todsichere Sache, schließlich brachte District 12 bisher nur drei Sieger hervor: Katniss, Peeta und Haymitch Abernathy (Woody Harrelson). Doch die Rebellion wird bereits von mehr Menschen unterstützt als Snow ahnt.

Regisseur Francis Lawrence ist ein spannender, der Vorlage treu bleibender Film gelungen. Das höhere Budget hat dabei sicher geholfen; „Catching Fire“ sieht auf jeden Fall besser aus als der Vorgänger.
Die Darsteller sind durch die Bank weg überzeugend, auch die Neuzugänge wie z. B. bei den Tributen Sam Claflin als Charmebolzen Finnick oder Jena Malone als Temperamentsbündel Johanna fügen sich gut ein. Josh Hutcherson hat sich als rechtschaffener Peeta gemacht, und es ist erfrischend, mal eine männliche Hauptrolle zu haben, die ständig gerettet werden muss (ohne dadurch weniger männlich zu sein; kann ja nicht jeder der geborene Waldläufer sein).
Jennifer Lawrence ragt jedoch deutlich heraus. Katniss war bereits vor den Hungerspielen emotional verschlossen, aber danach leidet sie unter posttraumatischen Störungen, was Lawrence sehr glaubwürdig spielt. Zwei der intensivsten Momente gelingen ihr während der anfänglichen Siegertour in District 11, wo die Situation nach ihrer Rede eskaliert, und Sekunden vor dem Eintritt in die neue Arena.

Besonders loben muss man aber, wie konsequent „Catching Fire“ sowohl politische Manipulation als auch Reality TV und dessen Mechanismen anprangert. Allein die perverse Siegestour, auf der die beide doch bitte lächelnden Sieger auch vor den Familien der getöteten Tribute sprechen, oder die TV-Show (moderiert vom wie immer großartig spielenden Stanley Tucci) mit allen, teilweise sehr wütenden Tributen sind deutliche Statements gegen den Fake des Reality TV. Von Präsident Snows Versuchen, die Öffentlichkeit gefügig zu halten ganz zu schweigen. Die aktuellen Bezüge und Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen.
Auch angenehm, dass das vielbeschworene Liebesdreieck um Katniss, Peeta und Gale (Katniss' Jugendfreund) nur eine kleine Randrolle einnimmt. Die „Panem“-Reihe ist nicht romantisch, die Hauptfigur kämpft mehr oder weniger die ganze Zeit um ihr Leben und das ihrer Freunde und Familie. Eine gewisse Zuneigung spürt sie offensichtlich zu beiden, aber während Gale für sie das Zuhause symbolisiert, ist Peeta derjenige, der mit ihr eine extreme Situation durchgestanden hat, sie somit am besten verstehen kann und ihr Halt gibt.

„Catching Fire“ ist ein runderer Film als sein Vorgänger, und auch wenn die letzten Minuten etwas gehetzt wirken und der Film auf einem gemeinen Cliffhanger endet, ist er allemal einen Besuch wert.




Captain Philips

Der Film generiert bereits ordentlich Oscar-Buzz, und das durchaus zu Recht. Erzählt wird die auf wahren Ereignissen basierende Geschichte des Frachtschiffkapitäns Richard Philips (Tom Hanks), dessen Schiff im berüchtigten Somali-Becken von Piraten geentert wird. Anführer Muse (Barkhad Abdi) und drei weitere Somalier wollen ein Lösegeld für die Crew erpressen, aber der Überfall läuft nicht nach Plan. Kapitän Philips wird von den vier Piraten als Geisel im Rettungsboot entführt, was die Navy endgültig zum Eingriff zwingt.

Paul Greengrass hat sich mit „Flug 93“ einen Namen gemacht, was Verfilmungen von wahren, in extremen Situationen spielenden Stoffen angeht, und dies zeigt sich auch in „Captain Philips“. Die häufig wacklige Kameraführung ist sicher nicht für jeden Zuschauer geeignet, sie unterstützt aber den Doku-Charakter des Films.
Die Schauspieler, allen voran Tom Hanks und Barkhad Abdi (in seiner ersten Filmrolle), sind hervorragend; dass sie große Anwärter zumindest auf eine Oscar-Nominierung sind, kommt nicht von ungefähr. Dank ihnen gehört die letzte halbe Stunde des Films mit zum Spannendsten, was es dieses Jahr im Kino zu sehen gab. Unterstützung gibt es dabei vom sehr guten Schnitt und der angespannten Musik.

Greengrass legt den Fokus zum Glück nicht nur auf Geisel Philips, sondern gibt auch den somalischen Piraten eine Hintergrundgeschichte. Dadurch sind sie nicht einfach böse Stereotypen, sondern besitzen eine glaubwürdige, bedrückende Motivation.

„Captain Philips“ ist großartiges Spannungskino mit preisverdächtigen Hauptdarstellern.




Don Jon

Eine Mainstream-Tragiliebeskomödie über einen pornosüchtigen Macho und eine Hollywoodromantik-süchtige Proll-Blondine, kann sowas funktionieren? Ja kann es, wenn Joseph Gordon-Levitt dabei Autor, Regiseeur und Hauptdarsteller in Personalunion ist und die Blondine von einer sichtlich Spaß habenden Scarlett Johannson gespielt wird.

Gordon-Levitts Hauptfigur Jon ist nicht gerade sympathisch, hat einen komplett durchgeplanten Wochenrhythmus zwischen Kirchgang, Fitnessstudio, Familienessen und Partymachen, und nur wenige Dinge sind ihm wirklich wichtig, u. a. seine Pornos. Die geben ihm einfach mehr als die echten Frauen aus seinen One Night Stands, denn da kann er sich fallen lassen. Bis er in Johannsons Barbara seine Traumfrau findet. Seine Pornos will er zwar nicht aufgeben, aber ansonsten liegt er ihr zu Füßen. Da merkt Jon auch zunächst gar nicht, dass sie ihn nach ihren Vorstellungen zu einem generischen Traummann aus Hollywood-Schmonzetten à la „Titanic“ & Co. Umformen will. Als Charakter ist Barbara dabei mindestens genauso unsympathisch wie Jon, was die oberflächliche Beziehung der beiden im Grunde noch amüsanter macht.

Gerade die erste Hälfte des Films inszeniert Gordon-Levitt nämlich wie einen satirischen Kommentar auf eben jene Hollywoodfilme, die Barbara so liebt, inklusive schnulzigster Musik beim „Wir sind sooo verliebt“-Kuss und ähnlichen Kleinigkeiten.
Gleichzeitig ist „Don Jon“ aber auch Kritik am Sexismus, dem man täglich in Film und Fernsehen ausgesetzt ist. Während Barbara eine komplett falsche Vorstellung von Liebe und Beziehungen aus ihren Schnulzen bekommt (der Mann muss alles für die Angebetete aufgeben, nur dann erweist er sich als würdig), konsumiert Jon Pornos wie andere ihre tägliche Seifenoper und misst sein reales Sexleben an diesen überspitzt unrealistischen Clips. Das Tüpfelchen auf dem I ist dabei ein von Jon und seinem Vater gesehener TV-Spot, der Werbung für einen Burger mit einer sich in typischen Pornoposen räkelnden, minimal bekleideten Blondine macht – so wird dem Zuschauer nebenbei vor Augen geführt, wie gang und gäbe Sexismus im Alltagsleben ist.

Der große Clou des Films ist es, dass mit der Einführung von Julianne Moores Althippie Esther „Don Jon“ anfängt seinen Ton zu ändern und sogar später recht ernst wird. Man muss Gordon-Levitt zugute halten, dass er diese Gratwanderung tatsächlich meistert und der Film weiterhin unterhält. Dazu kommen gelungene Nebenrollen wie Jons Familie (v. a. Tony Danza als sein Vater) oder Jons Freunde, die trotz seines teilweise miesen Verhaltens zu ihm stehen.

"Don Jon" ist eine unterhaltsame Satire auf konventionelle Liebeskomödien, die auch vor ernsteren Untertönen nicht zurückschreckt.

Keine Kommentare: